Der nächste, nächste US-Präsident
Nein, der obige Titel ist kein Tippfehler, es hat auch nicht der Druckfehlerteufel zugeschlagen, er ist nicht einmal das Ergebnis der großen Sommerhitze. Der Präsidentschaftswahlkampf in Amerika ist in vollem Gange, und das wichtigste Kapitel des Wahlkampfes wurde gerade abgeschlossen. Damit meine ich natürlich nicht das Attentat auf Trump, sondern die Tatsache, dass Trump auf dem Parteitag der Republikaner Mitte Juli seinen Kandidaten für die Vizepräsidentschaft benannt hat, Senator J.D. Vance aus Ohio.
Wenn der US-Präsident der mächtigste Mann der Welt ist, dann ist der Vizepräsident so etwas wie eine Mischung aus Reservist und Schläferagent. Er assistiert dem Präsidenten, beobachtet alles, ohne besondere Macht zu haben. Vizepräsidenten werden in der Regel auf normalem Wege zu Präsidenten, nachdem der amtierende Präsident eine oder zwei Amtszeiten absolviert hat, oder vielleicht plötzlich, durch außergewöhnliche Ereignisse, wenn dem Präsidenten etwas zustößt, wie z. B. dass er erschossen wird wie Kennedy, oder zurücktritt wie Nixon. Ohne tiefgreifende Schlussfolgerungen ziehen zu wollen, stelle ich nur als Kuriosum fest, dass von den 46 US-Präsidenten vier erschossen wurden, aber nur einer zurückgetreten ist...
Der Vizepräsident mag weniger bedeutend sein, aber ich sage: Schauen Sie sich den Vizepräsidenten gut an, denn er wird Präsident werden. Seit Trump J.D. Vance als Vizepräsident angekündigt hat, beschäftigt sich die Presse mehr als sonst mit diesem. Als Trump während seiner ersten Präsidentschaftskampagne Mike Pence nominierte, war das Interesse nicht annähernd so groß. Vance ist eine viel markigere Figur als Pence, nicht annähernd so gehemmt und beschränkt, sondern viel ehrgeiziger. Seine verfilmte Bestseller-Autobiografie Hillbilly Elegy liefert die Erklärung dafür: Vance stammt gesellschaftlich von „unten“, aus einer Arbeiterfamilie der Industriestadt Middletown im Rust Belt (Rostgürtel) und hat es aus eigener Kraft zu finanziellem und politischem Erfolg gebracht, was beweist, dass der amerikanische Traum noch immer lebendig ist. Außerdem diente er als Marinesoldat im Irak, was seinem männlichen Charme, aber auch dem Ruf der US-Armee zugutekommt.
Trump kann man nicht nachsagen, beleidigt oder nachtragend zu sein: 2016 nannte Vance ihn „Amerikas Hitler“ und äußerte sich sehr kritisch über Trumps Alltagsverhalten, doch heute startet er als Trumps Vizepräsidentschaftskandidat, der nunmehr hartgesottene MAGA (Make America Great Again)-Neophyt Vance. Trump wie auch Vance sind geborene Pragmatiker, die neben ihren wechselnden Meinungsäußerungen genau wissen, was sie wollen: Macht.
Seit Vance der offizielle Kandidat ist, steht er mehr im Blickpunkt der Presse und der Öffentlichkeit als Trump, der endlich eine Verschnaufpause einlegen kann. Mit der Wahl von Vance erwartet Trump, dass er die Arbeiterschaft der schwankenden Rust Belt-Staaten – Michigan, Ohio, Pennsylvania, Wisconsin – gewinnen kann. Vance ist viel jünger, gebildeter und klüger als Trump. Er hat nicht die gewinnende Frivolität des alten Showman, er ist ernsthaft. Er war das auch, als er letztes Jahr vor der Presse erklärte, dass er sich nicht im geringsten für das Schicksal der Ukraine interessiere und zu den vehementesten Gegnern der US-Megahilfen für die Ukraine gehöre. Im Gegensatz zu seinem potenziellen Chef spielt er nicht mit dem Gedanken, Amerika aus der NATO aussteigen zu lassen, sondern fixiert als Grundpfeiler, dass er Amerikas Söhne und Töchter nicht mehr als Ordnungsmacht in die Welt hinausschicken würde. Sie sollen zu Hause bleiben und sich um die Sicherheit der Vereinigten Staaten kümmern. Das ist wahres nationalistisches, gar nicht imperiales Denken.
Trumps Chancen auf einen Sieg steigen, nachdem Bidens kognitive Fähigkeiten völlig aus dem Ruder gelaufen sind: Präsident Selenskij beim NATO-Gipfel als Präsident Putin auf das Podium zu rufen, war eine Leistung, die alles übertrifft, was er je zuvor vollbracht hat! Wie kann man die beiden Todfeinde verwechseln? Schließlich haben die Demokraten Biden zum Verzicht auf die Wiederkandidatur bewogen und damit Vizepräsidentin Kamala Harris den Weg freigemacht.
Unabhängig von Trumps Sieg oder Niederlage wird in den Vereinigten Staaten ein neuer politischer Star geboren. J.D. Vance erhält viel Aufmerksamkeit und Publicity. Zweifellos wird er bei den Wahlen 2028 kandidieren, und wenn Trump wieder Präsident wird, hat er einen noch geraderen Weg zur Macht. Er wurde gefragt, was er getan hätte, wenn er an jenem ominösen, dunklen Tag im Jänner auf dem Capitol Hill gewesen wäre, als Pence trotz all seiner Beschränktheit als demokratisch gesinnter amerikanischer Patriot die Amtseinführung des neuen Präsidenten Biden trotz aller Forderungen Trumps nicht verhindert hatte. Vance antwortete ohne nachzudenken: Anstelle von Mike Pence hätte er Trumps Aufforderung Folge geleistet...
Ladies and gentlemen! Meine Damen und Herren! Der mögliche nächste, nächste Präsident der Vereinigten Staaten: J.D. Vance!
Zoltán Másréti Kató