Die drei stürmischen Jahrzehnte der Slowakei
Vor dreißig Jahren brach die Tschechoslowakei auseinander und ermöglichte die heutige Slowakische Republik. In den vergangenen Wochen bin ich von mehreren Redaktionen ersucht worden, diese drei Jahrzehnte kurz zu bewerten.
Das ist keine leichte Aufgabe, denn aus verschiedenen Perspektiven ergeben sich unterschiedliche Bilder. Wenn wir großzügig sind und uns auf die Worte von Imre Madách einlassen, ist die Geschichte „schön von oben wie der Kirchengesang“. Zum Jubiläum sind mehrere Bücher erschienen, nicht nur aus der Feder slowakischer Autoren, und sie sagen übereinstimmend, dass das zwanzigste Jahrhundert für die Slowaken ein Jahrhundert des Erfolgs war. Zu Beginn des Jahrhunderts existierten sie nicht, und am Ende erschienen sie als relativ dynamisches unabhängiges kleines Land in Mitteleuropa.
Unter diesem Gesichtspunkt, also aus dem Blickwinkel der nationalen Emanzipation, ist es tatsächlich eine Erfolgsgeschichte. Aus der Nähe betrachtet zeigen die Prozesse schon ein differenzierteres Bild.
Zunächst einmal möchte ich als Beteiligter an diesem Prozess (ich war damals Fraktionsvorsitzender im slowakischen Parlament und der ungarische Hauptredner sowohl bei der Verabschiedung der Unabhängigkeitserklärung als auch jener der Verfassung) klarstellen, dass die Haupttriebfeder für die Auflösung der Tschechoslowakei nicht die Verwirklichung der slowakischen nationalen Emanzipation war, sondern die Tatsache, dass Vladimír Mečiar und seine Kollegen nicht wollten, dass die Tschechen bei der Verwirklichung ihrer Pläne mitreden.
Die Verwirklichung der nationalen Emanzipation war ein wichtiger Deckmantel, aber das Wesentliche ist am ehesten im Rückblick auf 1998 verständlich: Außenpolitisch gerieten sie in völlige Isolation; innenpolitisch erbauten sie ein System mit Diktaturelementen (dessen wichtiges Element die Tschechen- bzw. Ungarnfeindlichkeit war); wirtschaftlich rutschten sie an den Rand des Bankrotts, die slowakische Krone produzierte zwischen 1997 und 1999 riesige Abstürze; und sie plünderten, was sie an Staatsvermögen ergattern konnten. Seltsame arme Rentner erwiesen sich als Zugpferde der Neureichen, die sich kostenlos große Vermögen aneigneten, aber die fette Beute an die regierende Bewegung für eine Demokratische Slowakei abtreten mussten. Sie gingen mit ihrem neuen Reichtum so schlecht um, dass sie z. B. die Produktion in ihren Fabriken sofort einstellten, die Lagerbestände und Ausrüstungen verkauften, die Arbeiter entließen, aus den Gebäuden Türen und Fenster ausbauten und verkauften, um dann die leeren, geplünderten Objekte und die darunter liegenden Grundstücke zu verscherbeln. Vom unglaublichen Verfall der öffentlichen Moral zeugt auch die wahre Geschichte, dass der damalige Premierminister des Landes den staatlichen Geheimdienst benutzte, um sich an seinem politischen Gegner, dem Präsidenten der Republik, zu rächen: Er ließ dessen Sohn von Agenten entführen und nach Hainburg schmuggeln.
Wir, die das alles miterlebten, schüttelten ungläubig den Kopf – und schnappten nach Luft. Auch damals, als Vladimír Mečiar trotz alledem die Parlamentswahlen 1998 gewann. Allerdings gelang es ihm nicht, eine Regierung zu bilden, und so kam die erste 10-Parteien-Regierung von Mikuláš Dzurinda zustande, der ich angehören durfte. Ihr Hauptziel war es, die Trümmer nach Mečiar aufzuräumen und das Land nach Westen zu wenden. Das ist gelungen, sodass die Mitte-Rechts-Regierung Dzurindas zwischen 2002 und 2006 im Amt blieb und das Land auf einen dynamischen Kurs brachte. Aus ungarischer Sicht konnten wir dann ernsthafter bauen, wobei der größte Erfolg dieser Periode zweifellos die Gründung der staatlich finanzierten Selye-Universität in Komárom war. Faire Kommentatoren werden anerkennen, dass die Konsolidierung zwischen 1998 und 2006 ohne die damalige Beteiligung der ungarischen Seite nicht möglich gewesen wäre. Ich möchte hinzufügen, dass die Slowakei bis zum heutigen Tag (auch) dafür in der Schuld der Ungarn des Felvidék steht.
2006 trat eine unglaubliche Rückwendung ein. Ministerpräsident wurde ein ehemaliger Jungkommunist, Robert Fico, der mit der nationalistischen Slowakischen Nationalpartei und Mečiars geschwächter Bewegung eine Koalition bildete. Wir gerieten unweigerlich in schwere Konflikte wegen der Misshandlung von Hedvig Malina, der brutalen Fan-Schlägerei von Dunaszerdahely (Dunajská Streda) und wegen weiterer anti-ungarischer Aktionen. Nach weiteren Höhen und Tiefen gipfelte die Geschichte 2018 im inakzeptablen Mord an einem Journalisten, der die Bevölkerung des Landes tief erschütterte. Viele stellen bedauernd fest, dass in dieser Struktur seit 2016 auch eine halb-ungarische politische Gruppierung integriert war, die nach einer Parteispaltung entstandene Mischpartei Most-Híd, von der sich deshalb 2020 die Anhänger abwandten.
Der große gesellschaftliche Aufschrei führte dazu, dass bei den Wahlen 2020 eine völlig amateurhafte politische Bewegung gewann, „Einfache Menschen und Unabhängige Persönlichkeiten“ (slowakische Abkürzung: OL’aNO). Diese hatten weder das Können noch die nötige Erfahrung, um das Land zu regieren. Ihre Vier-Parteien-Regierung, die 2020 starke Unterstützung genossen hatte, löste sich bis heute völlig auf, es entstand die kuriose Situation, dass der Ministerpräsident (und mehrere Minister seiner Regierung) nicht im Parlament sitzen, weil sie aus ihren ursprünglichen Bewegungen ausgetreten sind und als Mitglieder neuer, außerparlamentarischer Parteien bei den auf September vorverlegten Wahlen kandidieren wollen.
Als Positivum der 2020 an die Macht gelangten Laienkoalition lässt sich zweifellos sagen, dass sie die Justiz arbeiten ließ. Der Landespolizeichef ist ein ehemaliger Einsatzpolizist aus einer gemischten, ungarisch-slowakischen Familie, der ausgezeichnet Ungarisch spricht und seinen Job ernst nimmt. Mehrere korrupte Großunternehmer und ehemalige Politiker sind in den vergangenen beiden Jahren verurteilt worden, mehrere Polizisten, Staatsanwälte, Richter und ein Verfassungsrichter (!) haben wegen Korruptionsverwicklung den Hut nehmen müssen, und gegenwärtig sind mindestens ein Dutzend Gerichtsverfahren anhängig.
Die vorgezogenen Wahlen im September werden zeigen, wohin die Reise dieses Landes geht, das ein besseres Schicksal verdient hat.
Original: Pál Csáky, Bratislava (Preßburg) - Szlovákia három viharos évtizede