Schallenberg statt Kurz
Wer geglaubt hatte, mit dem Rücktritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz und der Angelobung Alexander Schallenbergs als Nachfolger könnte die österreichische Innenpolitik einen Neubeginn schaffen, ist enttäuscht worden: Die Sondersitzung des Nationalrats verlief am Dienstag turbulent, aber wie gewohnt.
Kurz hält als Obmann der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und Chef von deren Nationalratsfraktion alle Fäden in der Hand – und das, obwohl er abwesend war. Den auffälligsten Unterschied signalisierte die herzliche Art, mit der Schallenberg den neuen Außenminister Michael Linhart, einen „supererfahrenen außenpolitischen Profi“, im Regierungsteam begrüßte: „Lieber Michael, danke!“
Der neue Bundeskanzler entstammt einer Familie, deren Oberhaupt einst den Grafentitel trug. Der gelernte Diplomat hat Regierungserfahrung, war er ab Juni 2019 schon Außenminister im Übergangskabinett von Brigitte Bierlein. Schallenberg wurde von Kurz nach dessen Wahlsieg als einziger aus dem Bierlein-Team in die Regierung Kurz II übernommen.
Die Kommentare ausländischer Politiker halten sich in Grenzen. Zu jenen, die sich vorwagten, gehört Ungarns Außenminister Péter Szijjártó: „Was unseren Freund Sebastian betrifft“, bedauerte er den Kurz-Rücktritt „aus persönlichen Gründen“. Aber er fügte auf Schallenberg bezogen sogleich hinzu: „Auch ihn kennen wir alle bereits gut, in Bezug auf die bilateralen Beziehungen bedeutet das keinerlei Rückschritt“.
Im Nationalrat gab es diesen ebenfalls nicht, aber auch keinen Fortschritt. Die Debatte samt Ablehnung des Mißtrauensantrags gegen Finanzminister Gernot Blümel bedeutet eine Rückkehr zum Alltag: unversöhnliche Reden, aber nichts Neues im Haus am Ring.
P. M.