Von Westungarn zu Burgenland
Kurzfassung
Einleitend nimmt der Autor Bezug auf die Deklaration Kaiser & König Karls bezüglich der föderativen Umgestaltung der Monarchie. Er bezweckte damit zwar die Einheit des Reiches zu erhalten, in Wirklichkeit bestärkte er dadurch aber die nationalen Bestrebungen der Italiener, Serben, Rumänen und Slowaken.
In Ungarn war die Orientierung der Ruthenen ungeklärt. Einzig die Deutschen – außer den Siebenbürger Sachsen – traten für das Weiterbestehen des Stephansreiches ein. Der Hauptgrund dafür war – wie es ihr bedeutendster Vertreter, Jakob Bleyer formulierte – das Weitererhalten der deutschen Blöcke in einem Staatsverband, dagegen gefährdete die Abtrennung größerer Blöcke das Weiterbestehen der verstreuten deutschen Sprachinseln. Die Mehrheit der ungarländischen deutschen Politiker trat für das Verbleiben Westungarns bei Ungarn ein.
Aufgrund ethnischer Argumente war es begründet, dass die Deutschnationale Partei bereits im Oktober 1918, die politische Führung im November Anspruch auf das in seiner überwiegenden Mehrheit von Deutschen bewohnten Westungarn erhob. Bei den Friedensverhandlungen waren viel weniger die ethnische Zugehörigkeit als vielmehr die politischen und wirtschaftlichen Interessen und Überlegungen ausschlaggebend. (Nur deshalb tauchte der Gedanke der Errichtung eines slawischen Korridors auf.)
Obwohl die territoriale Amputation Westungarns zugunsten Österreichs ursprünglich nicht unter den Friedensbedingungen stand, trugen die innenpolitischen Umwälzungen, vor allem die Errichtung der Räterepublik vorrangig die Befürchtung einer Sowjetisierung dazu bei, dass der Friedensvertrag vom 10. September 1919 Westungarn Österreich überantwortete. Dies war etwa ein Schadensersatz für die Gebietsverluste Österreichs.
Es war völlig verständlich, dass diese Entscheidung in Ungarn eine außerordentlich heftige Empörung auslöste, da ein Einspruch gar nicht möglich war. Am schmerzlichsten wurde empfunden, dass dieser Gebietsverlust – auch als „Leichenfledderei“ empfunden – gerade Österreich zugutekam, mit dem Ungarn 400 Jahre lang einen gemeinsamen Staatsverband bildete. Ungarn überraschte diese Entscheidung auch schon deshalb, weil die Bergakademie von Schemnitz Anfang März 1919 nach Sopron/Ödenburg ausgesiedelt wurde. So war es verständlich, dass deren Studentenschaft einen Löwenanteil darin hatte, dass Sopron/Ödenburg schließlich bei Ungarn bleiben konnte.
Über die im Februar 1920 eingeleiteten Verhandlungen betreffend die territorialen Fragen wusste die ungarische Regierung die ungarländischen Deutschen hinter sich, die chaotischen Zustände, nicht zuletzt die diplomatische Isolation auf die Weiterentwicklung ließen jedoch kaum Hoffnungen.
Ungarn setzte schließlich auf die Gefahr des von Österreich betriebenen Anschlusses, der zur Stärkung Deutschlands geführt hätte. Als Kompromiss wurde deshalb das Verbleiben Sopron/Ödenburgs und Umgebung angestrebt. Für Österreich war dieses Ansinnen unannehmbar, weil das Burgenland dadurch dessen natürlichen Zentrums beraubt worden wäre.
Die Direktverhandlungen blieben ohne Erfolg. Der Rat der Alliierten forderte Ende Mai 1919 Ungarn auf das Österreich zugesprochene Gebiet zu räumen. Daraufhin traten Außenminister Miklós Bánffy und Ministerpräsident István Bethlen mit der Formel auf, “Sopron/Ödenburg fürs Burgenland“. Dazu knüpften sie auch die Räumung vom Komitat Bács-Baranya durch die Serben. Als der Rückzug Ende August 1921 begann, traten die Freischärler in Aktion, die insgeheim von der ungarischen Regierung unterstützt wurden. Dies führte zu Errichtung des kurzlebigen Leithabanats, gegen das auch die ungarische Regierung kein Verständnis aufbrachte.
In der verzwickten Situation gelang es Bethlen und Bánffy die italienische Regierung als Vermittler zu gewinnen. Dies resultierte in der Konferenz von Venedig, die bezüglich der Zugehörigkeit Sopron/Ödenburgs und Umgebung eine Volksabstimmung verordnete, die am 14.-16. Dezember 1921 durchgeführt wurde. Die mehrheitlich Deutschsprachigen stimmten mit Zweidrittel Mehrheit, vor allem in Sopron/Ödenburg und Nagycenk/Großzinkendorf für den Verbleib bei Ungarn.
Der Verlust Westungarns und die Errichtung des Burgenlandes gelten als gründlich bearbeitetes Thema der ungarischen und der österreichischen Geschichtswissenschaft. Neben vielen anderen trat zuletzt Imre Tóth mit einer umfangreichen Monografie hervor. In Ungarn ist die Öffentlichkeit über diesen territorialen Verlust kaum informiert. Dies erklärt sich dadurch, dass nach dem anfänglichen Schock die ethnische Zugehörigkeit gerechtfertigt erschien, und die Ungarn es am leichtesten ertragen haben. Heutzutage gibt es kaum jemanden in Ungarn, der dem Anschluss des Burgenlandes noch nachweinen würde.
Original: Nyugat-Magyarországtól Burgenlandig