Wie die EU die Landwirtschaft fördert
Schimpfen auf "Brüssel" geht vielen Bauern leicht von der Zunge - dabei machen Zuwendungen an die Landwirtschaft fast ein Drittel des EU-Etats aus. Wohin das Geld geht und nach welchen Kriterien verteilt wird.
Europas Bäuerinnen und Bauern profitieren von enormen Subventionen: Fast jeder dritte Euro aus dem mehrjährigen EU-Etat fließt in die Landwirtschaft, über sieben Jahre sind das insgesamt 387 Milliarden Euro. Das ist der zweitgrößte Posten im Gemeinschaftshaushalt. Auf Deutschland entfallen davon sechs Milliarden pro Jahr. Der Großteil geht als Direktzahlungen an die Landwirte. Deren Höhe bemisst sich auch nach der jüngsten EU-Agrarreform nach der Größe der Höfe und ist kaum an Auflagen geknüpft. Große Betriebe, die oft sowieso besser dastehen als der Durchschnitt, bekommen mehr.
Die deutschen Landwirtinnen und Landwirte erhalten das Geld nicht direkt aus Brüssel. Stattdessen legt die Bundesregierung die Flächenprämie fest, sie wird dann von den Zahlstellen der Bundesländer überwiesen. Im vergangenen Jahr wurden im Durchschnitt 156 Euro pro Hektar ausgezahlt. Dazu kommen spezielle Zahlungen für kleine Betriebe oder Junglandwirte sowie sogenannte gekoppelte Prämien für Mutterkühe, Schafe und Ziegen.
Nicht nur Landwirte bekommen Geld
Weil in Deutschland die Lebensmittelpreise im EU-Vergleich niedrig sind, brauchen Landwirte die Direktzahlungen, um ihre Einkommen zu sichern. Aber auch Versicherungs-, Energie- oder Immobilienkonzerne sowie Möbelhäuser streichen Flächenprämien ein, wenn sie Ackerland besitzen und bewirtschaften lassen. Ein Viertel dieser Förderung ist für Umweltprogramme reserviert. Die Teilnahme daran ist freiwillig, die Bedingungen legt jeder Mitgliedsstaat selbst fest.
In Deutschland können Landwirtinnen und Landwirte zum Beispiel Blühflächen und Altgrasstreifen anlegen oder auf Pflanzenschutzmittel verzichten, um zusätzlich Geld zu bekommen. Im vergangenen Jahr wurden fast 40 Prozent des Budgets für diese sogenannten Ökoregeln nicht ausgeschöpft, die Bundesregierung hat die entsprechenden Mittel in bestehende Maßnahmen gesteckt.
Große Länder bekommen das meiste Geld
Weil der Großteil der Mittel entsprechend der vorhandenen landwirtschaftlichen Flächen vergeben wird, bekommen die großen EU-Mitgliedsstaaten das meiste Geld aus dem Agrartopf: Ganz vorne liegt Frankreich, gefolgt von Spanien, Deutschland, Italien und Polen. Das sagt allerdings nichts darüber aus, wie hoch die Zuschüsse pro Hektar oder Betrieb ausfallen. Die hängen nämlich von der Betriebsstruktur und der Förderpolitik des jeweiligen Landes ab. Was die pro Hektar geleistete Unterstützung angeht, liegen Malta, Zypern und Griechenland vorne.
Die meisten Beschäftigten in der Landwirtschaft hat EU-weit Rumänien, insgesamt arbeiten 9,5 Millionen Menschen in der Europäischen Union in diesem Bereich. Der Anteil des Agrarsektors am Bruttoinlandsprodukt betrug 2020 1,3 Prozent. Die Flächenförderung wurde Anfang der 1990er-Jahre in der Gemeinschaft eingeführt. Davor hatten Europas Bauern Preisausgleichszahlungen bekommen, weil sie wegen hoher Kosten nicht mit dem Weltmarkt konkurrieren konnten. Diese staatlich garantierten Preise aber hatten zu Überproduktion geführt - zu den berüchtigten Milchseen und Butterbergen.
Vereinbar mit dem Green Deal?
Nach Ansicht von Kritikern finden sich die Vorgaben des Green Deal, des geplanten nachhaltigen Umbaus von Europas Wirtschaft und Gesellschaft, nicht in der gemeinsamen Agrarpolitik wieder. Dass die EU klimaneutral werden will, den Einsatz von Ackergiften drastisch einschränken sowie Artenvielfalt und Landschaften bewahren möchte - diese Ziele seien in der Agrarreform nicht verankert. Die Landwirtschaft ist für ein Zehntel des EU-weiten Ausstoßes klimaschädlicher Treibhausgase verantwortlich.
Jacob Mayr (ARD Brüssel)